31/12/2020 Germania, Renania-Palatinato
“If you ever come across anything suspicious like this item, please do not pick it up, contact your local law enforcement agency for assistance”
Die coronabedingte Schließung der Spielplätze im Frühling hat sich auch auf die Arbeit der Bombenentschärfer ausgewirkt. 2020 haben sie mit Blindgängern wieder alle Hände voll zu tun gehabt. Derweil dauern staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen mehrere Kollegen an.
dpa/lrs) – Ein Dreivierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg haben im Corona-Jahr 2020 viele Kinder den Bombenentschärfern in Rheinland-Pfalz mehr Arbeit beschert. „Im ersten Lockdown im Frühling waren die Spielplätze geschlossen und viele Kinder sind zum Spielen in die Wälder ausgewichen“, sagt Marco Ofenstein vom Kampfmittelräumdienst (KMRD) Rheinland-Pfalz der Deutschen Presse-Agentur. „Sie fanden Infanterie-Kampfmittel von der Gewehrmunition bis zur Handgranate.“ Zum Glück sei „nichts hochgegangen. Mir sind keine Verletzungen von Kindern bekannt.“ Auch den Kampfmittelräumern im Land sei 2020 nichts Gravierendes in ihrem riskanten Job passiert. Für Aufregung sorgten aber die noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen acht Bombenentschärfer wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Drei von ihnen wurde gekündigt, wie die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier mitteilt. Laut der Staatsanwaltschaft Koblenz schweigen bislang alle acht Beschuldigten zu den Vorwürfen. Bei Razzien in Privaträumen und dienstlichen Spinden waren elf Schusswaffen, Kartuschen, Patronen, alte Zünder und Teile von gefundenen Sprengkörpern sichergestellt worden. Die kriminaltechnischen Untersuchungen dieser Gegenstände zur Ermittlung ihrer Herkünfte dauern laut Staatsanwaltschaft an. Wollten Kampfmittelräumer zum Beispiel Erinnerungsstücke ihres gefährlichen Jobs nach Hause nehmen? Die ADD erklärt: „Hauptsächlich war das wohl keine kriminelle Energie“ – sondern vielmehr vermeintliches Gewohnheitsrecht oder Gedankenlosigkeit. Um so etwas künftig zu verhindern, seien die „externe Hilfe eines erfahrenen ehemaligen Leiters eines KMRD eingekauft und die betrieblichen Abläufe angepasst und transparenter gestaltet“ worden.
Mehr Fundmeldungen als im Vorjahr
In diesem Jahr bekam der KMRD „deutlich mehr“ als 1000 Fundmeldungen von Bürgern – so viele waren es im Vorjahr gewesen, wie Ofenstein berichtet. „Schon im ersten Lockdown war jeder zu Hause.“ Bei Gartenarbeit, Erdaushub für Swimmingpools und Spaziergängen seien von vielen Bürgern verdächtige Gegenstände entdeckt worden, von denen sich aber wie immer etliche als harmlos erwiesen hätten. Immer wieder hatten es die Kampfmittelräumer in diesem Jahr aber auch mit größeren Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg zu tun, etwa im Mai in Trier. Dort entschärften sie eine britische 250-Kilogramm-Fliegerbombe. 2700 Anwohner im Umkreis von 500 Metern um den Fundort mussten zur Sicherheit ihre Häuser verlassen. Ebenfalls 250 Kilogramm wog der Blindgänger, den der KMRD im August in Kirn im Kreis Bad Kreuznach unschädlich machte. Hier mussten 1900 Anwohner aus ihren Häusern. Der Sprengkörper lag zur Hälfte unter Wasser, was die Entschärfung erschwerte. Die Bombe war von zwei Paddlern im sommerlichen Niedrigwasser der Nahe entdeckt worden.
Kreativer Splitterschutz
Für einen ganz speziellen Splitterschutz sorgten die Kampfmittelräumer erstmals in Rheinland-Pfalz im Oktober in Koblenz. Zwölf Übersee-Container wurden in drei Reihen übereinander gestapelt, mit Wassertanks schwer beladen und u-förmig um eine US-amerikanische 500-Kilogramm-Fliegerbombe gestellt, um eine Barrikade für den Fall eines Unfalls zu haben. Die Entschärfung gelang auch hier. Der Vorteil: Statt 15.000 Anwohner in einem Sicherheitsradius von 1000 Metern mussten nur 5000 Bürger im Umkreis von 500 Metern ihre vier Wände verlassen. Auch das Gefängnis und der Hauptbahnhof in Koblenz brauchten nicht geräumt zu werden. Ofenstein vom KMRD hält es für gut möglich, einen derartigen Containerschutz erneut aufzubauen: „Das ist zukunftsfähig.“ Allerdings müsse die jeweilige Kommune zustimmen – sie habe schließlich eventuell mehr Kosten. In Koblenz sei diese Methode aber wahrscheinlich insgesamt günstiger gewesen.
Auch von verrosteten Krieisrelikten und Waffen können noch Gefahren ausgehen. Beim Fund von Kriegsmaterial wird ein Sicherheitsabstand eingehalten und sofort die Polizei zu verständigen. Der Besitz von Kriegsrelikten ist laut Polizei allgemein verboten